wer suchet

Es stöbert, es feilscht, es streift vergnügt beglückt umher, der trödelnde Mensch, ohne Ziel und doch stets wachen Blickes — schon am nächsten Stand könnte es warten, das besondere Etwas, das große Glück, die Erfüllung des bislang im Unbewussten geschlummerten Traums: ein Teeservice der königlich-preußischen Hofmanufaktur vielleicht, plüschige Steiff-Kuscheltiere, eine komplette Hundefamilie sogar, die kükengelbe Polstergarnitur samt passendem Deckchen?
Was auch immer es ist: es will entdeckt, gefunden, bewundert werden, zieht uns in den Bann, wie ließ es sich jemals ohne leben?! Nein, wie absurd, plötzlich erscheint es vollkommen ausgeschlossen, diesen Ort, diesen gleichzeitig verzauberten wie verzaubernden Ort, ohne dieses eine Ding zu verlassen.
Zu diesem Preis?, mahnt der Verstand, doch das Herz, es hat sich längst gehängt an diesen unverhofften Schatz; ein bisschen wird noch gehandelt, mehr um des Handelns willen, gehört irgendwie ja auch dazu, steigert gar das Hochgefühl, das kostbare Gut dann schließlich sein Eigen zu nennen.
Manch einem gelingt es, die Groschen in den Taschen und das Herz fest in der Hand zu halten, flanieren und gucken, gewiss, hier ein Pläuschen, dort ein Schnalzen mit der Zunge — hat man sowas [Schönes / Skurriles] schon mal gesehen? —, aber mehr muss heut’ nicht sein.
Wie Schaufenster- Shoppen, nur netter, ehrlicher, direkter, hier in diesem Zwischenraum, von außen betrachtet bloß ein Markt, für Eingeweihte so viel mehr: ein eigener Kosmos, ein Wunderland für all die Schnäppchenjäger*innen und Glücksritter, die sich – ausgestattet mit großen Taschen, schier unglaublichem Durchhaltevermögen und jugendlichem Elan – ihren Weg durch die Menschenmenge bahnen.
Unterwegs treffen sie auf Vollblut- wie Hobby-Handeltreibenden gleichermaßen: Da steht Gülay mit selbstgehäkeltem Sattelschutz und hausgemachtem Aronia-Gelee. Daneben ein kleiner strahlender Herr inmitten bunter Yogahosen aus Nepal. Und gegenüber das junge Paar, das ein halbes Möbellager aufgebaut hat. Seit dem Vorabend seien sie schon hier, erzählen sie strahlend. Gemütlich sieht es aus, wie sie da auf ihren Campingstühlen an einem kleinen Tischchen sitzen: fast wie im Wohnzimmer.
Immer weiter und weiter, mit vor Aufregung roten Wangen, vorbei am Schloss, welch prächtige Kulisse, dann flanieren auf der Promenade, beidseitig gesäumt von langen Tischen, darauf allerlei getürmt, gestapelt, ordentlich drapiert, gehängt, wortreich angepriesen oder mit selbstgemalten Schildern beworben: Puzzle, Briefmarkensammlungen, manch undefinierbare Kuriositäten.
Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Doch der Moment ist flüchtig, schon weitet sich der Blick, auf zum Nächsten, zum Neuen.
Wer suchet, der findet.
Wer nicht suchet, der findet auch.
Willkommen, willkommen auf dem Flohmarkt.
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Dieser Text ist im Oktober 2023 im Münsteraner Straßenmagazin draußen! erschienen.