Daniela Caixeta Menezes

was nun?

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Die Muse schweigt in diesen Tagen, gerade ist wohl niemandem nach Schreiben, Malen, Kreativität zumute. Wo doch die Welt am Abgrund zu stehen scheint. Jeden Tag Meldungen von Gräueln ohne Gleichen, von Schicksalen, die nicht mehr beiseite zu schieben sind, die sich einbrennen ins kollektive Gedächtnis.

Was nun?

Längst ist die Welt ein Dorf, kaum ein Konflikt nur regional, marginal; kein noch so aufwändig betriebenes Abschotten hilft gegen die Wucht, mit der das Ungeheuerliche einbricht in unser wohl kuratiertes Leben – und das nicht erst seit gestern. Nichts von alldem verschwindet, nicht heute und nicht morgen.

Was nun?, fragen wir uns, hilflos, ohnmächtig, ein wenig beschämt angesichts des sicheren Ortes, von dem aus wir sprechen.

Darf man das überhaupt: sich hier um die eigene Muse, das Fortbestehen des ruhigen Alltags sorgen, während vielerorts Menschen sterben – Kinder, Frauen, Zivilisten?

Was nun, was können wir tun?

Fragen moralphilosophischer, politischer, auch rechtlicher Art. Die Kreise und Kurven, in denen sich in diesen Tagen das Denken vollzieht: pures Ringen um Lösungen aus dem Chaos.

Was nun?

Über was Schönes, Fröhliches, Erbauliches schreiben, wie manch einer mir rät – sozusagen als helle Gegenstimme in dieser dunklen Zeit?

Was wünschte ich mir, diese Person zu sein, die, der es gelingt, Menschen mit meinen Worten aufzuheitern. Doch zur Abwesenheit der Muse gesellt sich auch die Unfähigkeit, die Schwere der Gegenwart umzuwandeln in ein bisschen Leichtigkeit. Nein, dazu könnte ich mich nicht überwinden, es käme mir takt- und respektlos vor, und ist es nicht genau der Mangel an Respekt den Menschen gegenüber, der gerade überall zu spüren ist?

Was nun?

Nein, Leichtigkeit ist nicht die Formel, auch nicht die Losung des Augenblicks. Zu viel steht auf dem Spiel: das Völkerrecht, tausende Leben, die Grundfesten unser aller Menschlichkeit.

Was nun also?

Versuchen wir uns stattdessen an einem Kompromiss, weder demoralisierende Schwere, noch ignorante Leichtigkeit, wohlwissend, die Grenzen werden fließend sein. Sprechen wir über kleine Lichtblicke, die zarte Hoffnung säen, über Momente unerwarteten Glücks in tiefster Agonie.

Sprechen wir über Köln und Bochum, wo Juden und Muslime in Moscheen zusammenkommen, um ein deutliches Zeichen der Verständigung zu setzen.

Erinnern wir uns an den offenen Brief der jüdischen Intellektuellen, die trotz Angriff und Hass auf das Recht für Meinungsfreiheit verweisen.

Vergessen wir auch nicht den Friedensappell eines israelischen Vaters, dessen Kind unter den über 200 Geiseln ist.

Erkennen und hegen wir jedes tapfer flackernde Flämmchen, das sich im tosenden Orkan behauptet.