Daniela Caixeta Menezes

Von Tieren und Menschen

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Eines Tages ist es, wo es nicht hingehört, das wilde Tier. Aber was heißt hier eigentlich: nicht hingehören?, tönt es lautstark aus dem Lager der Schützer und Bewahrer, waren sie nicht vor uns hier, die Bären und Wölfe und sowieso alles andere Getier?

Schon, so viel gesteht die andere Seite noch ein, aber, setzen sie dann zu einer Gegenrede an, nicht minder laut und stark und virulent. Aber, echauffieren sie sich, was ist mit unseren Schafen und Ziegen, wisst ihr, wie das ist: morgens Kadaver vor der Hütte vorzufinden? Von den Kindern, den ängstlichen, untröstlichen kleinen Wesen, ganz zu schweigen!

Freilich, die Kinder, wer wird da nicht weich, bekommt nicht schlotternde Knie, nein, auf dem Rücken der Kinder ist die Debatte sicher nicht auszutragen. Unbekümmert und angstfrei spielen sollen sie, und die Eltern müssen währenddessen ruhigen Gewissens ihre Aufgaben verrichten können. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt?!

Auch sie beherrschen es, die Gegner, das Handwerk der Rhetorik, keine Frage ist so einfach, wie sie scheint, im Eifer des Gefechts. Die Gemüter sind erhitzt, die Stimmung: aufgeheizt, gelinde gesagt. Zwei Gruppen, die sich bekämpfen, mit Tiraden und Kampagnen, jedes Mittel ist recht. Sie sind – es lässt sich nicht anders sagen – zu verbitterten Feinden geworden.

Dabei gab es doch einst viele Gemeinsamkeiten, Meinungen und Ansichten über den Wert der Natur zum Beispiel, die Überzeugung, dass es sie zu verteidigen gilt vor den Planierraupen und dem Hyper-Tourismus.

Doch vorbei die Zeit der Eintracht, das wilde Tier macht sie zunichte, das erste Schaf ist gerissen, der reine Anblick genügt, eine ganze Region in Aufruhr zu versetzen, alle Gewissheiten in Frage zu stellen, auch die vermeintlich sicheren. Ein Bär wird gesichtet, allem Anschein nach ohne jede Scheu vorm Menschen, Alarmstufe rot, bald ist klar: das riesige Tier ist nur eines von vielen. Manch einer versucht zu beschwichtigen, jo mai, ein Bär, nur ein Bär, doch die Menschen sind erschrocken, stehen unter Schock, als die ersten von ihnen wahrhaftig einem Exemplar begegnen.

Spontane Wellen der Solidarisierung: für Mensch und Tier; die armen Wanderer und Kinder, beklagen die einen; die armen Bären und Wölfe, die anderen. Sind nicht wir es, die Schuld daran tragen? Der maßlose Mensch drängt vor in fremdes Territorium, immer weiter und tiefer. Nicht das wilde Tier muss weichen, wir müssen’s, fühlt sich die Fraktion Schutz bemüht zu verkünden.

Die Gegenseite wappnet sich, auch sie mit schwerem Geschütz, ein Mix aufgebrachter Bürger, Familien mit Höfen, Hotels oder Unternehmen; vereint nur in ihrer Wut wettern sie gegen ihre Widersacher, aus eurer städtischen Bastion lässt sich leicht die moralische Tierwohl-Keule schwingen!

Und der Landeshauptmann? Mahnt zu Vorsicht und Besonnenheit, versucht sich an Relativierungen mit der Bitte um Verhältnismäßigkeit, sie finden kaum Gehör. Was tun?, der Sommer so nah, mit ihm die Ankunft der Reisenden, wie in jedem Jahr, doch nichts ist wie immer, die Angst geht um, die Boulevardpresse dramatisiert, polarisiert, setzt noch einen drauf.

Vertrackt die Lage, es geht nicht vor und nicht zurück. Nur die wilden Tiere: sie kommen und sie gehen nicht mehr zurück, wohin auch?