Von Müttern und Töchtern

Ein Band, ein Bund, Verbundenheit,
erst nur eine Schnur, winzig klein,
durch die fließt, was es braucht für dieses Wunderwerk
– Blut und Nährstoffe, Kraft und Stärke.
Es wächst und gedeiht, das neue Leben,
Erdenbürgerin in spe, dreht und wendet sich,
Miniaturgliedmaße in Bewegung, mit dem Herzschlag eines Kolibris.
Ein Zellhaufen, der Gestalt annimmt,
jeden Tag ein wenig mehr.
Die Wochen dehnen sich: aufgeregte Ungeduld,
Warten, Spüren, Staunen.
Und doch geht alles rasend schnell, Zeit, die vorbeifliegt.
Wehe dem, der nicht innehält, Hand und Ohr auflegt,
um mit den eigenen Sinnen wahrzunehmen,
Zeuge zu werden von diesem Schöpfungsakt
– Demut und Ehrfurcht bar jeder Religiosität.
Ein Mensch im Werden,
aufgeladen mit Bedeutung,
noch bevor sie das Licht der Welt erblickt,
neuer Mut und tiefe Zuversicht.
Urvertrauen.
Dass alles am rechten Platz ist,
gut ist, wie es ist.
Ein Gefühl, das sich Worten entzieht, jagt durch den Körper, kribbelt, pulsiert, hüpft mit dem Wesen um die Wette.
Ein neuer Zeitvertreib: fabulieren und phantasieren,
wie wird sie sein, wie wird es sein,
zusammen in diesem Leben,
in der kleinen, behüteten Welt,
bis sie aufbricht in die große?
Zur Vorfreude gesellt sich eine gehörige Portion Respekt angesichts der Dinge, die da kommen werden,
überraschen, übermannen, überfordern.
Ein Blick genügt jedoch, der alle Zweifel zerstreut:
über die Schulter, zurück, dorthin, wo einst alles begann
– Schnur, Band, Bund, Verbundenheit.
Eine Kette, robust und beständig,
estehend aus tausenden Gliedern,
eins für jeden gemeinsamen Moment,
frei von Hierarchien und Bewertungen,
weil alles zählt: Begegnung, Konflikt und Liebe.
Grenzenlose Liebe.
Sie zeigt sich in jeder Handlung, jedem Tun,
beim Umsorgen und Spielen, Lachen und Trösten,
beim Zuhören, Helfen, Dasein,
beim Vorleben von Werten und Überzeugungen,
beim Mitfiebern und -fühlen: Freude und Glück und Schmerz.
Ein Blick genügt
und ich sehe, wie sie Anker und Vorbild ist,
meine Mutter,
ein Leuchtturm für die Reise mit ihr,
meiner Tochter.