Daniela Caixeta Menezes

unterwegs

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Wo endet die Stadt, wo beginnt das Dorf?, die Grenze verläuft im Unsichtbaren, verschwimmt mit jedem neuen Stein, einer kühn auf den anderen gesetzt. Die Demarkationslinie, eine administrative Gegebenheit, die über Zugehörigkeiten bestimmt, die letztendlich keine Rolle spielen, urban, peripher, die Losung im Grunde dieselbe.

Jenseits der Mittelklasse-Viertel, wie ein Ring um das verödete Zentrum der Metropole gelegt, beginnt das Nirgendwo. Am Horizont, auf einem besonders herausragenden Fleckchen Erde thronend, eine Wohnanlage, nicht mal für eine Ortsunkundige zu verwechseln mit den Siedlungen hier an der lauten Hauptverkehrsachse. Sie liegt fernab, diese abgeschottete Oase für Wohlhabende, abseits der städtischen Hektik, es ist das in Stein gemeißelte und mit Zäunen aus Stacheldraht geschützte Versprechen von Ruhe und einem selbstverständlichen Anspruch auf ihre Privilegien.

Noch ist die Straße dreispurig, spuckt den Verkehr aus der Zig-Millionen-Stadt, erst noch in Tröpfchen, es will nicht recht fließen, zwei Autos sind karamboliert, versperren den Weg. Der Wagen steht, genug Zeit, den Blick zu weiten, ihn zu schärfen für diese Welt an der Grenze. Überfüllte Bushaltestellen ohne Dach, zukünftige Passagiere stehen geduldig am gegenüberliegenden Straßenrand, bei nächster Gelegenheit versuchen sie rennend die 6 Fahrbahnen zu überqueren, falls der Bus bis dahin noch nicht vorbei gebraust ist, wegen Überfüllung hält er nicht einmal an.

Weiter geht’s, vorbei an Werkstätten und Garagen, bestimmt zwei-,dreihundert an der Zahl, lückenlos aneinandergereiht, kann es in einer einzigen Stadt tatsächlich derart viele Autos geben?, so die naive Entrüstung einer Besucherin, die im Normalen das Unverständliche sieht.

Dann scheint die Schwelle überschritten: drei Spuren verengen sich zu zwei, im Seitenspiegel zeigt sich die Stadt im Kleinformat. Vierzigtonner wirbeln rote Erde auf, der Eisenstaub setzt sich auf die Windschutzscheibe, wo er hartnäckig verweilt, auch auf den Balkonen der kleinen Steinhütten am Straßenrand hinterlässt er einen farbigen Film, jemand hat dort seine Wäsche zum Trocknen aufgehängt, Menschen müssen nunmal wohnen und Wäsche aufhängen. Vielleicht ist es auch dieser Jemand, der am selben Straßenrand alte Plattenspieler verkauft, ein anderer hat Pfannen und Töpfe aus Kupfer und Messing auf einer Plane ausgebreitet, dazwischen Bananen und Ananas, heute im Angebot! Doch damit nicht genug, wer will, kann hier und heute endlich den Traum des eigenen Jacuzzis wahr machen, nur wie die in Plastik gegossene Entspannung nach Hause transportieren? Unbeeindruckt jagen drei Rennradfahrer vorbei, wer rastet, der rostet – oder wird vom nächsten Auto erfasst.

Der kleine Pkw rollt, es bedarf voller Konzentration auf dem Hindernisparcour aus kleinen Schlaglöchern, Rollsplitt und abschüssigem Boden, im Land der ungezähmten Hügel. Hinter dem nächsten flackert inmitten scheinbar unbehauster Landschaft ein rotes Licht, bei näherer Betrachtung ist ein tanzender Frauenkörper aus Metall auszumachen, darunter das Schild zum Etablissement. Gleich dahinter, fast unscheinbar, der Hinweis auf die estrada real, eine Straße, ehemals gebaut für den König, um die Reichtümer des Landes transportieren zu lassen, Gold und Diamanten, in den atlantischen Regenwald geschlagen von aus ihrer Heimat dorthin verschleppten Seelen.

In jedem noch so kleinen Ort eine imposante Kirche, wie ein Fremdkörper zwischen den provisorisch aneinander gedrängten Häuschen und Hütten, als der unangefochtene ganze Stolz seiner Bewohner, von üppigen Blumenbeeten gerahmt, blitzblank sauber gefegte Stufen, das Portal verziert mit Malereien, dem jungen Michelangelo würdig. Ein alter Mann taucht im Sichtfeld auf, er sitzt neben dem Gotteshaus im Schatten, umringt von einer Schar Hühner: 20 Reais lebendig, 35 geköpft und küchenfertig.

Wir sind unterwegs, unterwegs in die unendliche Weite.