unter wolken

Auf dem Rücken liegend, fliegen sie noch schneller vorbei, die Wolken, zarte, undurchdringbare Gebilde aus Wasser, Nebel, Eis.
Nicht sie liegen auf dem Rücken natürlich, wobei: wissen wir das, wo unten und wo oben ist, wo die Wolke Rumpf, wo sie Kopf hat, beziehungsweise das meteorphysikalische Pendant dazu?
Hier lässt sich nur in Phantasiegebilden denken, pure Spekulation, jedenfalls nehmen sie an Fahrt auf, wenn die Betrachterin sich in die Waagerechte begibt, den Blick gen Himmel gerichtet. Wusch wusch, fliegen sie vorbei, kugelige Wattebäuschchen,wie frisch gezogene Zuckerwatte am Stiel, da!, ein Ohr, vielleicht von einem Hasen, ein Hundekopf, Löwenmähne, ein Auto gar. Kein Kunstwerk bleibt lang im Visier, eins folgt auf das andere, die Konturen zerflossen, bevor sie klar umrissen sind.
Bald schon wird das Auge müde, blinzelt, kann der Bilderflut nicht standhalten, gibt auf, gibt nach. Lässt sich einfach nur berauschen, verliert sich in der unendlichen Weite des fluffigen Weiß. Will es berühren, nur ein einziges Mal, spüren, fühlen, schmecken, reckt die Arme in die Höhe, Zentimeter um Zentimeter, bis es weiter nicht mehr geht, die Hände durchgestreckt, nur die Finger bewegen sich: Akrobatik gen Himmel.
Lässt los, lässt die schwer gewordenen Gliedmaßen sinken auf den weichen Untergrund, alle Anspannung fällt ab, ein wohliges Gefühl durchfährt den Körper, wie er da liegt, entspannt, ohne bestimmten Auftrag, ohne Ziel.
Über ihm treiben sie weiter ihr undurchsichtiges Spiel, die Wolken, ein Spalt öffnet sich, Fetzen blauen Himmels blitzen hervor, nur für einen Moment, einen kurzen Augenblick, in the blink of an eye, die Betrachterin blinzelt, einmal, zweimal, schon hat sich die weiße Masse wieder vor den blauen Korridor geschoben. Ein Einfliegen und Davonschweben – Streifen, Wellen, Schlangen, als hätte ein Künstler höchstpersönlich Hand angelegt. Ach was, ein Naturspektakel, reich an überbordenden Formen, wie kaum ein Pinselstrich es je auf Leinwand zu bannen vermochte, keine gleicht der anderen.
Eine einzige Wolke: viel mehr als die Summe ihrer Wassertröpfchen und Eiskristalle, gebündelt zu kraftvollem, drängenden Vorwärts; von Nephologinnen erforscht – Strahlungshaushalt, Niederschlagsverteilung, Atmosphärenchemie!
Und ihre Farben erst! Stellen eines jeden Künstlers bunte Palette in den Schatten: alles zwischen weiß und schwarz, als Schönwetterwolken vermeintlich unscheinbar auf dem sonnig heiteren Foto, mit etwas Glück morgens oder abends in leuchtendes Rot getaucht, schwarz bei nahendem Gewitter.
Nicht aber heute, heute ist der Himmel hell, undramatisch weiß. Nein, plötzlich grau, langsam schieben sich die Wolken aneinander, bilden eine einzige Fläche, grau, soweit das Auge reicht. Stillstand, so hat es den Anschein, nichts rauscht, fließt, jagt, alles ist zum Erliegen gekommen.
Doch der Schein trügt, das weiß die kundige Betrachterin, sie ruhen nie, die Wolken, beim nächsten Blinzeln werden sie bereits von dannen gezogen sein. Ruhelos und beruhigend zugleich: These und Antithese in dieser Ansammlung fein disperser Teilchen.