Daniela Caixeta Menezes

Julia

Woman in Portrait

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»Wer bin ich? Schwierige Frage, weil sich ein Mensch einerseits an seinen
Handlungen deuten lässt, und er sich andererseits auch daran messen lassen muss, wie er die Dinge tut, die er tut. Ich denke, die Dinge, die ich tue, nehmen für mich eine besondere Bedeutung ein.

Ich würde sagen, ich bin eine künstlerische Person, aber ich möchte noch
künstlerischer sein, als ich es per se bin. Ich muss mich stets herausfordern, noch mehr Ziele, vor allem persönlicher Art, für mich zu kreieren.

Ich habe Design studiert, weil ich mich immer schon für Kunst interessiert
habe. Es begann mit der Malerei. Ich habe immer viel gemalt. Auch wenn ich mich auch an anderen Dinge versucht, andere Hobbys wie Sport oder Schauspiel betrieben habe, war die Kunst etwas, was bei mir geblieben ist, etwas, von dem ich wusste, dass ich es mein Leben lang lieben würde. Kunst war immer etwas, das sich wirklich natürlich anfühlte.

Außerdem liebe es, Sprachen zu lernen, Leute zu treffen und verschiedene
Kulturen kennenzulernen. Ich hatte immer den Wunsch, nicht in meiner eigenen Kultur zu leben und Teil der Kultur anderer Menschen zu werden, sie nicht nur kennenzulernen, sondern auch darin zu leben.

Nach einem Auslandsjahr in Spanien habe ich in einer Designschule in den USA studiert und mich auf Möbeldesign konzentriert. Im Kurs ging es um das Entwerfen, aber auch ums' praktische Tun und Werkeln. Ich hatte vorher noch nie mit meinen Händen Dinge kreiert, ich hatte nie die Gelegenheit dazu gehabt. Wann hat man schon eine Metall- oder Holzwerkstatt? Ich beschloss, mich auf etwas zu konzentrieren, von dem ich keine Ahnung hatte. Eine neue Aufgabe. Du gehst in die Schule, um etwas Neues zu lernen. Ich hätte mich auf Gemäldefotografie spezialisieren können. Aber ich wollte etwas Neues.

Es war sehr anstrengend, sehr schwer. Aber mit der Zeit baut man diese
Gemeinschaft auf. Die Menschen, mit denen man leidet, weil man zusammen denen bis 4 Uhr morgens im Studio ist - das schweißt zusammen. Ich habe es geliebt!

Vielleicht nicht unbedingt im Moment der harten Arbeit, aber ich glaube,
mittlerweile vermisse ich es wirklich. Eine Gruppe von gleichaltrigen
Künstlern und Designern zu haben, mit denen man immerzu über die eigenen Arbeiten sprechen kann, ist etwas ganz Besonderes. Die Freunde, die ich dort getroffen habe, sind wirklich kritische Menschen, wir haben gelernt, kritisch zu sein, alles in Frage zu stellen. Manchmal war ich wirklich erschöpft, wollte einfach nur genießen. Aber ich habe sehr viel gelernt.

Ich habe diesen internen Konflikt, ich mag Kunst und Design wirklich, aber ich fühle mich manchmal auch sehr egozentrisch. Denn häufig bedeutet Kunst ja, schöne Dinge für schöne, wohlhabende Menschen zu machen. Es macht Spaß und ich mag es wirklich, aber manchmal habe ich den Drang, etwas Sinnvolleres zu tun und der Welt zu helfen, etwas zurückzugeben.

Ich möchte die Welt nicht retten, weil ich weiß, dass ich es nicht kann. Vielmehr möchte ich mich mehr in gemeinschaftlicher Arbeit engagieren und meinen Traum von einem eignen Atelierraum zu realiseren; einen Lehrraum, einen offenen Arbeitsraum, von dem auch andere Künstler etwas haben und der viel mehr bietet und beinhaltet, als 'nur' schöne Dinge zu gestalten, die ich dann zu hohen Preisen verkaufen kann.

Aber wo wäre ein solcher Ort? Wenn man viel Geld in etwas investiert, muss man Gewissheit haben, dass man lange und die meiste Zeit dort verbringen möchte. Aber jetzt weiß ich nicht, wo dieser Fleck ist.

Ich fühle mich wirklich manchmal wurzellos, habe mich immer ein bisschen so gefühlt. Wir sind umgezogen, als ich ein Kind war, aus den USA nach Europa, mein Leben hat sich schlagartig verändert - und dann sind wir wieder umgezogen. Ich habe immer mein altes Leben verlassen und von Neuem angefanen. Ich glaube, ich bin gut darin. Ich kann leicht meine Sachen packen und an einen anderen Ort ziehen, und dann könnte ich auch an diesem neuen Ort eine gute Zeit haben.

Aber ich fange an zu verstehen, dass ich das nicht immer tun kann, weil es Beziehungen gibt, an denen ich festhalten möchte. Man muss viel daran arbeiten, wenn man an ihnen festzuhalten versucht, muss diejenigen Menschen im Leben identizifieren, die einem wirklich wichtig sind und für die es sich lohnt, Opfer zu bringen.

Ich habe diese wirklich enge Gruppe von Freunden, aber wir sind überall in der Welt verstreut. Ich habe das Gefühl, dass unsere Generation als Ganzes so ist. Wir wissen nichts sehr gut, aber wir haben jetzt viele Dinge. Ich interessiere mich zum Beispiel für sehr viele Dinge gleichzeitig. Aber mein Wunsch ist es, ein paar Dinge richtig gut zu machen.

Hier zu sein, hat mir gezeigt, dass ich meine Freundschaften pflegen möchte. Ich möchte zurück und einige Zeit mit diesen Freunden zusammen sein. Ich weiß nicht, wann, aber es gibt Leute, mit denen ich diese Gemeinschaft wirklich stark halten möchte. Es ist so leicht, den Kontakt zu verlieren und ich würde behaupten, ich bin besonders schlecht darin, den Austausch zu bewahren.

Es ist wirklich schwer, mich fetzulegen, wo ich mich niederlassen möchte. Es gibt so viel Ablenkung in der Welt. Es ist eine kontinuierliche Reise. Ich möchte überall sein, an verschiedenen Orten gleichzeitig. Es ist schwer, alle Menschen im Leben und alle Dingen, die ich tun möchte, zu jonglieren, ins Gleichgewicht zu bringen.

Ein Grund, warum ich Möbeldesign mag, ist, dass ich das Gefühl habe, etwas außerhalb der Geschlechtergrenzen zu tun. Ich glaube, ich wollte immer gut im Sport sein, in all den Dingen, die auch Jungen gut können.

Meine Mutter ist Feministin und auch mein Vater wollte, dass ich sportlich gut bin, was klassiche 'Jungensachen' angeht. Ich glaube, er mochte auch die Tatsache, dass ich an der Arbeit mit Holz interessiert war und etwas lernen wollte, was normalerweise eher einem Männerberuf entspricht. Ich bin auf jeden Fall stolz darauf, die Geschlechterrollen zu durchbrechen und etwas zu tun, was für eine Frau nicht gewissermaßen atypisch ist. Weil Frauen definitiv dazu in der Lage sind!

Ich erinnere mich an das erste Mal - ich war 12-, als meine Mutter sagte: ja
natürlich bin ich Feministin! Und ich glaube, ich war davon damals etwas
eingeschüchtert, denn damals habe ich noch geglaubt, dass Feministinnen BHs verbrennen und so. Aber ich hatte dieses Gespräch mit meiner Mutter, als ich 12 Jahre alt war.

In Brasilien kamen letztens Leute meines Alters auf mich zu und haben mich gefragt: bist du eine Feministin? Und ich habe verdutzt
entgegent: du etwa nicht? Für mich ist das ein Definitions- und
Konnotationsproblem.«

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Woman in Portrait: Eine Interviewreihe mit Frauen in Rio de Janeiro und Minas Gerais | Brasilien