Daniela Caixeta Menezes

immer besser

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Gewiss, perfekt ist sie nicht, unsere Welt, Hunger, Armut, Kriege – sie sind nicht verschwunden, die großen Geißeln.

Und doch wird die Welt nur noch besser, immer besser, sagen sie, schau doch hin: Fortschritt in Medizin, Technik, Gesellschaft. Ausgerottete Seuchen und höhere Lebenserwartung, elektrisches Licht und fließend Wasser selbst in abgelegensten Winkeln des Globus, friedvolles Zusammenleben hier wie dort – wenn auch nicht überall, nichts ist perfekt, geben sie zu, es wird sie immer geben, horrende Katastrophen und widerwärtige Gräueltaten, so lange wie es den Menschen geben wird.

Schockierend und laut kommen sie daher, diese Taten, wühlen uns auf, für ein paar Stunden, ein paar Tage, bis uns grell die nächste Schlagzeile anspringt und das, was war, vergessen ist. Aus den Augen, aus dem Sinn, das neue Unheil klopft schon an, rüttelt an den Fensterläden, will herein und den freigewordenen Platz nehmen: Ökonomie der Aufmerksamkeit.

Ohne Unterlass drängen die Schrecken dieses Planeten in unser Sein, der globalen Vernetzung sei Dank; einem steten Kommen und Gehen gleich setzen sie sich fest, belagern das Bewusstsein, konfrontieren uns mit Annahmen über diese unsere Welt, die gültig zu sein scheinen, bis das Gegenteil bewiesen ist: Beweislastumkehr.

Wahr ist, was wir selbst empfinden, die Armut, die wir auf den Straßen sehen, die erschütternden Berichte aus den Krisenregionen, von denen es noch immer zu viele gibt.

Aber, insistieren sie, der Trend zeige nach oben und oben sei gut, oben heiße sicherer und gerechter, lebenswerter.

Zwei Wahrheiten: die der Statistiker und die eigene. Eine, die auf Zahlen beruht, auf abstrakten Parametern ohne Sinn oder Platz für Gefühlsduselei; eine andere, zwangsläufig subjektive, aber dadurch nicht weniger gewichtig, ebenso legitim.

Man will ja dran glauben, an die Fortschritte unserer Welt, wir alle wollen das, betrachten die aufsteigenden Kurven: mehr Bildung, mehr Teilhabe, mehr von allem – vorwärts, immer vorwärts, alles entwickelt sich, ist in Bewegung, hin zum Guten?

Stirnrunzeln, Fassungslosigkeit. Assads Chemiewaffen, Putins Invasion, Foltercamps in Libyen, Rekordhitze und Dürren in Subsahara-Afrika und und und, die Liste ist lang, sie müssen doch lügen, die Zahlen, verrechnet haben sie sich, die Statistiker mit ihren Wahrheiten, die so weit weg zu sein scheinen von allem, was tagtäglich geschieht in dieser Welt. Grenzt es nicht an Zynismus, von Fortschritt zu sprechen, blenden wir nicht Realitäten aus, wenn noch immer archaische Gewalt regiert, Mägen leer sind, Kinder keine Zukunft haben?

Doch früher, da war alles noch schlimmer, sagen sie dann, schon lange wird es nur noch besser, immer besser und man will ihnen glauben, ja das will man wirklich, nur meistens gelingt es einfach nicht.