Daniela Caixeta Menezes

Bel

Woman in Portrait

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»In Australien hatte ich einige einschneidende Lebenserfahrungen gemacht. Also entschied ich mich, diverse Jobs als Freiwillige in Brasilien zu absolvieren. Ich kam, um als Volunteer für die Caminhos Language School in Rio de Janeiro zu arbeiten und plante einen Aufenthalt von drei
Monaten, nach denen ich wieder nach Australien zurückgehen würde.

Letztendlich blieb ich zwei Jahre!

Danach kehrte ich nach Australien zurück, fand einen Vollzeitjob - und
entschied: das ist nicht meins! Ich überlegte, all meine Habseligkeiten
zu verkaufen und wieder nach Brasilien zu gehen. Und genau das tat ich
dann auch!

Ist es nicht verrückt?

Nein, es war einfach wunderbar!

Ich denke, es gehörte ganz viel Mumm dazu, denn ich hatte einen guten
Job, ein Appartment, ich ließ alle meine Freunde, meine Familie zurück.
Es war eine wirklich extreme Entscheidung und die Leute konnten es nicht
verstehen, aber ich wusste, dass es für mich das Richtige war!

Mein Leben hier verläuft völlig anders. Australien ist sehr strukturiert
und die Mentalität ist eine völlig andere. Es wird so viel gearbeitet -
genauso wie in den meisten anderen Ländern auf der Welt. Dein Leben ist
auf deine Arbeit ausgerichtet, und du siehst deine Familie und Freunde
nur am Wochenende und planst einen Monat voraus, wenn du etwas
unternehmen möchtest. Hier läuft alles spontan ab, du nimmst dir jeden
Abend Zeit für deine Freunde.

Es ist eine andere Lebensauffassung: jeder arbeitet - natürlich - aber
man lebt nicht, um zu arbeiten! Man lebt miteinander, man trifft sich,
geht aus und lebt das Leben bis zum Anschlag! Ja, es ist ein bisschen
gefährlich, Du musst immer deine sieben Sinne beieinander haben - aber
in jedem Land gibt es Vor-u. Nachteile.

Leute, die Rio nicht kennen, reden immer nur über diese Seite der Stadt,
aber jene, die je hier waren, können sie besser verstehen und
beurteilen. Jeder der einmal in Rio war kommt wieder! Diese Leute sehen
nicht nur die eine Seite. Sicher, viele hier sind besorgt und ängstlich,
das Leben ist anders hier. Viele Leuten tun sich schwer, mit Favelas zu
leben und das Überfälle als etwas Alltägliches erscheinen. Wir leben mit
Erdrutschen und Starkregen, wie wir ihn letztens hatten. Es sieht so
aus, als sei das Leben hier so völlig unbegreiflich und fremd, man hört
das immer wieder von Leuten aus meiner Heimat.

Aber die gleichen Leute sehen nicht, wie glücklich ich hier bin und wie
sehr sich mein Leben - genau hier - zum Besten verändert hat, also kann
ich nur sagen: was soll's, Jedem das Seine!

Ich sage nicht, dass das Leben in Australien nicht gut ist - es ist
großartig! Viele Leute würden alles geben, um nach Australien zu kommen,
es ist ein sagenhaft schönes Land!

Aber ich wollte mehr aus meinem Leben machen und ich musste etwas
verändern, um das Beste für mich persönlich herauszufinden.
Veränderung ist gut. Ich kenne viele Leute, die sich davor fürchten,
aber wenn du nichts ausprobierst, kannst du nicht wachsen. Ich denke,
manchmal sollte man seine Chance ergreifen und etwas neues wagen: dein Auto verkaufen, deine Wohnung - sowas von der Art.

Mein Motto ist: Du kannst dein Vermögen nicht mitnehmen! Es ist egal, ob Du einen Mercedes Benz besitzt, ob du in einem Millionen-Dollar-Haus wohnst - irgendwann wirst du sterben. Du wirst sterben, ich werde sterben, wir alle werden sterben. Du kannst diesen ganzen Kram nicht mitnehmen!

Bevor ich sterbe möchte ich möglichst viele von diesen wunderbaren
Menschen sehen, die mir in meinem Leben begegnet sind und noch begegnen werden und ich wünsche mir, noch unendlich viele großartige Erfahrungen sammeln zu können.

Es stimmt: man braucht Geld, um zu (über)leben, um Entscheidungen
treffen und um ein einigermaßen vernünftiges Leben führen zu können.
Aber ich glaube, dass man sein Leben nicht daran ausrichten sollte, mehr
und mehr und mehr Geld haben zu wollen.

Genau so war es, so habe ich mich in meinem Leben in Australien gefühlt.
Mein Ziel ist jetzt anders ausgerichtet: ich werde keine Millionen
Dollars verdienen, aber ich bin glücklich!

Brasilianer sind sehr warmherzig. In der Nacht, als dieser Starkregen kam, war ich mit meinem Sohn in Botafogo. Ich wusste nicht, wie ich nach Hause kommen sollte und versuchte ein Taxi zu bestellen, bei Uber. Mein Baby weinte und war hungrig und ich fragte mich: was soll ich nur machen? Da kam dieser Fremde und schlug mir vor, mich zur Bushaltestelle zu begleiten. Es wäre nicht gerade eine vielversprechende
Möglichkeit, es könnte eine Ewigkeit dauern, aber ich würde nach Hause
kommen. Er half mir, mit meinem Sohn den Bus zu erreichen, und später -
im Bus - (oh, ich könnte so losheulen), sagte eine ältere Dame zu mir: Möchten sie mit zu mir kommen, da sind sie erstmal sicher! Die Leute
hier sind so hilfsbereit und freundlich, das gibt es nicht oft.

Natürlich geschieht das auch in Australien, wenn eine große Katastrophe
droht, dann hilft man sich gegenseitig. Hier aber kann es irgendeine
Kleinigkeit sein und du bekommst Hilfe. Das ist die Art der Brasilianer
und man liebt sie dafür.

Jeder ist begeistert davon, dass es nicht eine Million Jahre dauert,
Leute kennenzulernen. Du gehst aus und wirst spontan zu einer Hochzeit
eingeladen, du triffst Leute im Supermarkt und gewinnst neue Freunde.

Viele Menschen leben so, wie man es von ihnen erwartet und sind
letztendlich nicht glücklich damit. Fakt ist: der Anteil an depressiven
Menschen, die Scheidungsraten, die Suizide sind höher als je zuvor. Die
Leute sind einfach nicht glücklich. Da werden so hohe Erwartungen
gestellt, die Menschen begreifen nicht, dass sie endlich auf sich selbst
achten sollten, ihrer eigenen Intuition folgen, auf ihre innere Stimme
hören sollten - und exakt das tun sollten, was sie möchten, und nicht,
was die Gesellschaft ihnen vorschreibt, was die Gesellschaft als normal
und richtig erachtet!«

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Woman in Portrait: Eine Interviewreihe mit Frauen in Rio de Janeiro und Minas Gerais | Brasilien