Daniela Caixeta Menezes

Apokalypse mit Ankündigung

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Im Nahen Osten herrscht Krieg, der jahrzehntelang schwelende Konflikt ist eskaliert. Die Hamas hat eskaliert – mutmaßlich mit Segen und Waffen aus dem Iran und von der Hisbollah –, tausende Sprengsätze auf Israel gefeuert, mit unvorstellbarer Kaltblütigkeit und Brutalität Zivilisten abgeschlachtet, Frauen, Kinder, nichtsahnende Festivalgäste. Und mit dieser menschenverachtenden Blitzoffensive einmal mehr bewiesen, dass sie vollkommen zurecht international als Terrororganisation geächtet wird. Die Antwort des israelischen Staates ließ nicht lange auf sich warten. Vergeltung, Rache, Blutvergießen bis zum letzten Tropfen.

Verstörende Bilder, die uns hier erreichen, apokalyptisch. Von zerbombten Vierteln, verzweifelten Menschen, denen die Todesangst ins Gesicht geschrieben steht. Das Gespenst des Krieges geht um – und wird so bald nicht mehr verschwinden. Dafür sind die Fronten zu verhärtet, die Narben zu tief, die Ziele unvereinbar: die einzige Daseinsprämisse der Hamas besteht in der totalen Vernichtung des israelischen Volkes, während Netanyahus Israel den Palästinenser*innen in Wahrheit seit jeher jede Existenzberechtigung abgesprochen hat. Der heimtückische Überfall durch die Hamas wird diese Position nur noch zementiert haben.

Es ist eingetreten, wovor sich die internationale Gemeinschaft seit Gründung des Staates Israel gefürchtet hat, was lange Zeit mit zähen Verhandlungen zu verhindern versucht wurde. Schon lange vor diesem Krieg hat niemand wirklich mehr an eine Zwei-Staaten-Lösung geglaubt (und die Hamas sie aufs Schärfste torpediert), allenfalls deutsche Diplomaten, die mit ihrem scheinbar unerschütterlichen Glauben an ein Wunder wohl auch ein bisschen ihr Gewissen beruhigen wollten: schaut her, Israels Sicherheit ist Staatsräson, aber wir setzen uns ein für Frieden, Frieden für alle.

Überall auf der Welt werden nun israelische Flaggen gehisst, das Brandenburger Tor erstrahlt in Blau und Weiß. Eine symbolische Geste, um der Opfer zu gedenken, ein humanistisches Zeichen, um in diesen schwierigen Stunden dem verbündeten Partner, dem Freund Israel zur Seite zu stehen.

Seltener zu hören: Stimmen, die kritisch hinterfragen, ob mit der uneingeschränkten Unterstützung auch jene nun verübte Verbrechen Netanyahus gegen die Menschlichkeit – wie die völkerrechtswidrige, totale Abriegelung des Gaza-Streifens und das damit verbundene gezielte Aushungern und Ausbomben von 2,5 Millionen Menschen – zu legitimieren sind. Ist das einer Demokratie würdig?

Zeitgleich finden in Berlin-Neukölln, New York und Teheran pro-palästinensische Kundgebungen statt, israelische Flaggen werden verbrannt, antisemitische Parolen gebrüllt; Autokorsos cruisen hupend und triumphierend durch Malmö. Unverhohlene Sympathiebekundungen für Angreifer, die selbst vor Babys nicht Halt machen. Menschenverachtende Aktionen, die Schwindel und Übelkeit hervorrufen.

Hass und Hetze – auch im Netz. Unversöhnlich bewerfen sich Unterstützer und Gegner mit Dreck. Die ganze Welt steht Kopf, empört sich, ordnet sich dem einen oder dem anderen Lager zu, diskutiert oftmals polemisch – verkürzt, simplifiziert, oberflächlich. Verliert dabei das große Ganze aus dem Blick, den Kontext, die unfassbar komplexe, komplizierte Genese dieses Konflikts. Eines Konflikts, der in einem Inferno gemündet ist: in einem angekündigten, abzulesen an in rasantem Tempo errichteten Kibbuzen und Siedlungen, Selbstmordattentaten, ungezählten tödlichen Zusammenstößen in Jerusalem, der heiligen Stadt, stagnierenden Verhandlungen, und und und.

Die Taten der Hamas sind aufs Schärfste zu verurteilen. Für Mord an Zivilisten und Terrorismus gibt es keine Rechtfertigung, keine Entlastung, kein Verständnis. Niemals. Auch dann nicht, wenn das eigene Leid schier unvorstellbar, die Unterdrückung systemisch, das Leben in de facto apartheid inhuman ist.

Gewiss, zur ganzen Wahrheit gehören viele Teile. Teile, die es kritisch zu beleuchten gilt. Doch erst einmal muss es darum gehen, humanitäre Hilfe zu leisten und alles dafür zu tun, Menschenleben zu retten und diesen Krieg zu beenden.